Zurück zur Startseite
Wir ermöglichen einen geschützten Austausch für Menschen mit Krebserkrankungen.
Mit der App Trustping finden Menschen mit Krebs gezielt Gesprächspartner*innen, ohne sensible Informationen aus der Hand zu geben.
Eine Krebsdiagnose ist ein Schock, verbunden mit einer großen Verunsicherung. Unsere Vision mit Trustping ist es, dass Menschen auf der dringenden Suche nach Austausch und Unterstützung, diese einfach finden können, ohne dabei ihre persönlichen Daten zu veröffentlichen und so ihre eigene Privatsphäre verletzen zu müssen. Im Moment findet dieser Austausch hauptsächlich in öffentlichen Internetforen oder Facebookgruppen statt. Trustping bietet eine sichere Alternative.
In Zeiten von COVID hat unser Anliegen eine neue Dringlichkeit erfahren. Menschen mit Krebserkrankungen sind besonders gefährdet, nicht nur durch eine potenzielle Ansteckung mit dem Virus, sondern auch durch eine Isolation mit ihrer Krankheitserfahrung. Trustping wird also wichtiger denn je.
Trustping ist eine App fürs Smartphone. Zusätzlich zu einem klassischen Messenger bietet sie eine Match-Funktionalität »Ping«, die es ermöglicht über konkrete Fragen und Themen geschützt zueinander zu finden und sich auszutauschen. Die Transparenz der App und des Umgangs mit sämtlichen Daten sowie der Schutz aller persönlicher Kommunikation sind das Herz von Trustping.
Auch der Diskurs über Datenerhebung, Datenverwendung und der damit einhergehende Nutzen sowie die Gefahren hat durch die Pandemie eine neue Dynamik bekommen. In der Kontroverse über die Corona-Warn-App wurde deutlich, wie schnell und mit wie großer Unsicherheit plötzlich Entscheidungen über womöglich nachhaltige digitale Strukturen gefällt werden müssen. Global ist zu beobachten, was als Trend der »autoritären Digitalisierung« beschrieben werden kann. Mit Trustping leisten wir einen Beitrag zu offener, transparenter und gemeinnütziger Infrastruktur und damit zu einer offenen Gesellschaft.
In einer intensiven Recherche haben wir versucht, möglichst viel über unser Zielgruppe zu erfahren. Hier eine Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse.
Gruppen von Menschen, die Trustping nutzen und für die
Anfang März startet unsere Förderung durch den Prototype Fund kurz darauf tritt in unserem Land der größte Ausnahmezustand der Nachkriegszeit in Kraft. Die Förderphase hatten wir uns wirklich anders vorgestellt! Schulen und Kitas bleiben geschlossen und machen für uns Eltern den Alltag zur Kraftprobe. Innerhalb von Tagen verlagern sich bundesweit die Büroplätze in die heimischen Wohnungen, wo schon die Kinder und Partner*innen warten und quasi das gesamte soziale Leben in den virtuellen Raum.
Für die meisten Menschen war COVID-19 in diesen Wochen und Monaten die größte Herausforderung. Aber auch in den Wochen, wo fast jede Nachricht eine Corona-Nachricht war, erkranken Menschen neu an Krebs, allein in Deutschland etwas über 500.000 im Jahr. Durchschnittlich 1300 Menschen täglich werden abrupt aus ihrem Alltag gerissen und mit einer lebensverändernden Diagnose konfrontiert. Für diese Menschen entwickeln wir Trustping.
Als gelernte Data Scientists wissen wir aus unserer täglichen Arbeit um das Potential von Daten, aber auch um die Gefahren für Missbrauch. Wir sind weder technologiefeindlich noch Kulturpessimist*innen. Wir glauben an die Souveränität des Einzelnen und die Kontrolle der Vielen mittels Transparenz. Wir lieben Open Source, Open Data und unsere Privatsphäre. Wir glauben, Menschen wissen am besten selbst mit wem sie was teilen möchten und möchten ihnen diese Entscheidung nicht aus der Hand nehmen. Ganz besonders Menschen in schwierigen Situationen.
Getragen von diesen Ideen haben wir uns in die sechsmonatige Prototypen-Entwicklung zu Trustping gestürzt. Wir holten Veronika fürs Design ins Boot, damit Trustping nicht nur sicher und sinnvoll ist, sondern auch gut aussieht und Freude macht. Dann kam Corona und das meiste wurde anders. Zwischen rumwuselnden Kita- und Schulkindern, Essenmachen und Stubenkoller haben wir uns bemüht, einen kühlen Kopf zu behalten und Pläne anzupassen. Anfangs haben wir mehrere umfangreiche User- und Expert*innen-Interviews geführt, um unsere Annahmen zu prüfen und zusätzliche Erkenntnisse für die Konzeption zu gewinnen. Daraus haben wir User Stories in Bild und Text entwickelt, Prototypen in Figma entworfen, eine App in Dart/Flutter gebaut, Datenbanken angebunden, Schemata entworfen, Chatprotokolle evaluiert, Usertests durchgeführt, iteriert, iteriert und iteriert…
Teil unserer Förderung war auch ein Coaching durch eine externe Agentur. Unser Gespräch mit Cade von »Simply Secure« hat einige unserer Entscheidungen beeinflusst. Wir haben den Fokus auf soziales Vertrauen per Design gerichtet und in unseren User Stories auch kontroverse und betrügerische Nutzer*innen (z. B. Menschen mit Münchhausen Syndrom) berücksichtigt. Auch den Entschluss, die Profildatenbank nicht durchsuchbar zu machen, haben wir an dieser Stelle gefasst. Die Auseinandersetzung hat uns ehrlicher und bescheidener bezüglich möglicher Sicherheitsversprechen gemacht. Es geht nicht nur um technische Sicherheit, sondern ebenso um soziale Sicherheit. Es entstanden Ideen, wie wir Trustping noch vertrauenswürdiger gestalten könnten, die den Rahmen der Förderung des Prototype Funds aber gesprengt hätten (siehe »Verifizierte Profile« weiter unten).
Den fettesten Strich durch die Rechnung hat uns Corona bezüglich unserer Testphase in der Rehaklinik im Universitätsklinikum Freiburg gemacht. Durch die Herausforderungen und entsprechenden Einschränkungen war es unmöglich für uns, dies im geplanten Zeitrahmen umzusetzen. Aber wir haben die Zusage aus Freiburg und stehen im Austausch, sodass wir hoffen, die Testphase möglichst bald nachholen zu können. Die Einbindung potenzieller Nutzer*innen war uns von Anfang an sehr wichtig. Also haben wir ein angepasstes Format entwickelt und in mehreren wöchentlichen Calls Walkthroughs mit Nutzer*innen gemacht, in denen jeweils eine Person vor dem Hintergrund ihrer persönlichen Erfahrungen durch die App navigieren durfte und ihre Gedanken und Eindrücke mit unserem Team geteilt hat. Das war extrem wertvoll für unseren Entwicklungsprozess.
Im Moment gibt es zwei Möglichkeiten, sich bei der App anzumelden: nach einem kurzen Intro zur Idee von Trustping kann sich der*die Nutzer*in entscheiden, ob die Anmeldung anonym oder mit einer Mail-Adresse geschehen soll. Bei einer anonymen Registrierung ist der Account an das Smartphone gebunden und sollte es verloren gehen, besteht für uns keine Möglichkeit, den Account auf einem anderen Gerät wiederherzustellen. Trotz dieses Nachteils ist uns wichtig, diese Option anzubieten und damit den Einstieg in Trustping so niedrigschwellig wie möglich zu machen. Zu jedem späteren Zeitpunkt kann ein anonymer Account in einen Account mit Mail-Adresse umgewandelt werden.
Jetzt werden einige Fragen gestellt, die später dazu dienen, passende Gesprächspartner*innen zu finden. Die Fragen stammen aus drei Bereichen: Diagnose, Therapie und Lebensumstände. Alle Eingaben können übersprungen und zu einem späteren Zeitpunkt gelöscht, geändert oder ergänzt werden. Im Moment werden diese Angaben anonymisiert in unserer Datenbank gespeichert und dienen dem Algorithmus zum Finden von Übereinstimmungen zwischen den Nutzer*innen.
Nach dem Anmeldeprozess bietet die App zunächst noch ein recht übersichtliches Bild. Leere Chats, da noch keine Kontakte vorhanden sind, das selbst erstellte Profil und den Bereich »Match«, der zunächst am wichtigsten ist. In Trustping habe ich nicht die Möglichkeit durch andere Profile zu suchen und Menschen direkt zu kontaktieren. Diese Designentscheidung haben wir getroffen, um dem besonderen Schutzbedürfnis der erkrankten Menschen zu entsprechen und ihnen die volle Kontrolle über ihre Sichtbarkeit zu geben. Trustping erfordert eine gewisse Balance in den Aktivitäten der Nutzer*innen; Menschen, die »nur« lesen wollen, ist mit zahlreichen Internetforen und Facebook-Gruppen bereits ausreichend gedient.
Um mit meinen persönlichen Themen an Menschen herantreten zu können, erstelle ich nun einen »Ping«. Ein »Ping« ist eine Kombination aus Informationen über mich, die ich aus meinem Profil einzeln selektieren kann und einer persönlichen Nachricht oder Frage. Zusätzlich zu diesen Infos kann ich einstellen, welcher Fokus mir für die Übereinstimmung besonders wichtig ist. Sollen die Menschen möglichst genau die gleiche Diagnose haben oder sich in einer ganz ähnlichen Lebenslage befinden? Diese Einstellung lässt sich für jeden einzelnen »Ping« erneut anpassen. Ich kann so viele Pings versenden, wie ich möchte. Wenn ich einen »Ping« versende, wird er von der App an die fünf Menschen mit der größten Übereinstimmung für diesen »Ping« zugestellt.
Eine erhaltene Ping-Nachricht kann ich ablehnen, ignorieren oder beantworten. Mit einer Antwort auf einen »Ping« habe ich auch die Möglichkeit Teile meines Profils, sowie eine persönliche Nachricht zu senden. Außerdem ist dieser Antwort implizit, dass ich der anderen Person einen Kontakt anbiete und wir in einen gemeinsamen direkten Chat treten können.
Wir haben uns für ein Konsensprinzip entschieden. Konkret heißt das, wenn ich Antwort erhalte auf meinen »Ping«, kann ich einen Chat mit dieser Person starten. Ich muss aber nicht. Sollte mir die Antwort der Person oder etwas anderes nicht gefallen, kann ich die Ping-Antwort ignorieren oder löschen und der*die Nutzer*in wäre nicht in der Lage, mir weitere direkte Nachrichten zu senden. Auch hier haben wir uns für das Prinzip der größtmöglichen Eigenverantwortung entschieden. Beginne ich einen Chat, ist ein direkter Kontakt hergestellt. Ab jetzt können wir uns direkte Nachrichten sowie Bilder und Audios senden, genau so, wie es aus anderen Messenger-Diensten (Signal, Telegram, WhatsApp,…) bekannt ist.
Unsere Vision ist und bleibt, mit Trustping eine vertrauenswürdige App auf den Weg zu bringen, die Menschen in äußerst schwierigen Situationen einen sicheren Einstieg in einen geschützten Austausch bereitet. Das Fundament dafür ist gebaut. Aber es sind viele Ideen und Gedanken entstanden, die noch umgesetzt werden wollen. Einige Ausblicke wollen wir noch geben.
Emotionales Herzstück unserer App sind die bunten Flächen, die jeweils für eine Menge von Nutzer*innn stehen, mit denen ich in einem Bereich Übereinstimmungen habe. Sie sind Filtermechanismus für den Fokus meiner Ping-Anfrage, aber auch spielerisches Moment und Logo von Trustping. Soweit die Idee und das Design an dieser Stelle bereits ausgearbeitet sind, fehlt noch die technische Umsetzung der animierten Nutzer*innenführung in der App.
Nicht nur im Namen tragen wir das Wort Vertrauen (Englisch: trust), auch viele Überlegungen ranken sich um diese Thema. Vertrauen bauen, das Thema der Runde 7 im Prototype Fund. Unser Thema. Wie entsteht Vertrauen im virtuellen Raum? Das einfachste ist: Vertrauen ist bereits vorher da. Das heißt, wenn ich eine Person im realen Leben kenne, weil ich sie z. B. in der Chemotherapie kennengelernt habe. Trustping bietet die Möglichkeit, mit einem QR Code Menschen direkt zu verlinken, einen Chat zu starten und die Schritte des Ping Pong zu überspringen.
Ein sehr interessanter Ansatz, den wir weiter prüfen wollen ist, dass Trustping-Profile durch die behandelnden Ärzt*innen ausgestellt werden. In einer simplen browserbasierte Web-Applikation erstellen die behandelnden Onkolog*innen oder Rehaärzt*innen ein neues Profil mit zugehöriger Diagnose per ICDS Code. Die Patient*innen erhalten einen Code, mit dem sie das Trustping-Profil zuhause initialisieren und anpassen können. Diese Profile erhalten ein Signet als »verifizierte Profile«, da hier reale Person und korrekte Diagnose sichergestellt werden. Für die Ärzt*innen könnte die Möglichkeit bestehen, beim Anlegen des Profils zusätzlich relevantes digitales Info-Material aus vertrauenswürdiger Quelle (z. B. Krebsinformationsdienst) per Selektion zu hinterlegen.
So sorgfältig wir alle Entscheidungen hinsichtlich Vertrauen treffen, ist klar, dass komplette Sicherheit nicht möglich ist. Sollte es also dennoch vorkommen, dass jemand sich von anderen Nutzer*innen belästigt fühlt oder aus anderen Gründen einen bestehenden Kontakt auflösen möchte, wird die Möglichkeit bestehen, Kontakte zu entfernen, also Nutzer*innen zu blockieren.
Viel Zuspruch bei unseren Interview erhielt die Idee, einen Kalender mit kleinen Statistiken anzubieten, wo ich einfach mein Befinden, meine Medikamente, eventuell Ernährung oder sportliche Aktivitäten tracken und dokumentieren kann. Der Markt der Tracking-Apps ist umfangreich, doch meist gebe ich dafür meine Daten aus der Hand. Wir würden solche Daten gern auf dem Telefon belassen und nur die Funktionalität den Nutzer*innen zur Verfügung stellen, damit sie selbst die Vorteile solcher Auswertungen nutzen können. Sei es im Gespräch mit der Ärztin oder zum eigenen Erkennen von Zusammenhängen: Welche Medikamente führen zu welchen Nebenwirkungen und was passiert, wenn ich dies oder jenes ändere?
Im Moment ist der Eins-zu-eins-Chat implementiert. In Zukunft soll es die Möglichkeit zum Erstellen von offenen und privaten Gruppen und perspektivisch auch das Einrichten von Channels als Informationsmedium zu bestimmten Themen geben.
Wenn es um Gesundheitsdaten geht, spielt das Potenzial für Forschung immer auch eine Rolle. Bei den meisten Menschen mit Krebs gibt es eine hohe Bereitschaft, Krebsforschung zu unterstützen. Auch wir würden diese Möglichkeit gern eröffnen - aber vollständig freiwillig: Mit einer Option, in eine Kontaktmöglichkeit für Forschende aktiv einzuwilligen. Für Forschende könnte die Möglichkeit, Menschen mit Krebs nach gewählten Kriterien selektiv zu kontaktieren ein wertvolles Instrument zur Kontaktaufnahme sein. Dies gilt evtl. nicht immer für die Rekrutierung von Studienteilnehmer*innen, die oft randomisiert erfolgen muss, wohl aber beispielsweise für qualitative Forschung, Hypothesenbildung und auch Grundlagenforschung, die auf biologische Tumoreigenschaften abzielt.
Wir machen Trustping aus Leidenschaft, aber wir sind nicht naiv. Um eine nachhaltige Ausarbeitung, Weiterentwicklung und einen dauerhaften Betrieb einer App zu sichern, braucht es Ressourcen. Wir werden uns um eine Anschlussförderung bemühen und haben einige Überlegungen zur Produktisierung von Trustping angestellt. Wichtigstes Kriterium hierbei war für uns, keine kommerzielle Verwendung irgendwelcher Daten zu erwägen. Das Thema kam auch auf, als wir in Verhandlung mit dem Universitätsklinikum Freiburg über die Teilnahme an der Pilotphase standen. Es ist im Moment nichts entschieden, aber einige Ideen werden wir abwägen und evaluieren.
Trustping richtet sich im Moment nur an Menschen mit Krebs oder Menschen mit dem Verdacht auf eine Krebsdiagnose und noch nicht an Familie oder Freund*innen. Es ist geplant, in Zukunft eine Anmeldemöglichkeit für Angehörige schaffen, denn wir sehen auch hier einen großen Bedarf zum Austausch, zur Unterstützung und Informationssuche.
Wir bedanken uns herzlich beim Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) & dem Prototype Fund.